Der Deutsche Kleinempfänger (DKE)

1938



 
Foto: Quelle unbekannt *

Um auch den ärmsten "Volksgenossen" Rundfunkempfang  möglich zu machen, war im Oktober 1937 der deutschen Rundfunkindustrie die  Aufgabe gestellt worden,  einen Allstromempfänger zu schaffen, der bei  gleicher Leistung des bisherigen Volksempfängers nur ungefähr den  halben Preis, also etwa RM 35,-- kosten sollte. Das Ergebnis war der von der Rundfunkempfängerindustrie als Gemeinschaftsleistung zur 15. Grossen  Deutschen Rundfunkausstellung 1938 präsentierte "Deutsche Kleinempfänger  1938" (DKE38). Sein sensationeller Preis: 35 RM! Die politische Rundfunkführung  war überzeugt, dass für diesen Preis, - oder in Monatsraten zu 2,30 RM - die Anschaffung des DKE auch den ärmsten Volksschichten erschwinglich  sein würde. Das politische Ziel, die technische Voraussetzung für  den Propagandatransport des Regimes in jeden Haushalt zu schaffen, war mit  dem DKE praktisch erreicht worden. Einen derart billigen Rundfunkempfänger  herstellen zu können, verlangte von den Konstrukteuren und Schaltungsentwicklern,  von bisher bewährten Konstuktionsprinzipien Abschied zu nehmen. Der Zwang zur äussersten Sparsamkeit offenbart sich in der Konstruktion, der Wahl der Bauelemente, der Materialreduzierung und der Materialauswahl, aber auch im Schaltungskonzept des DKE. Aus dieser Sicht sei der DKE betrachtet. Bereits Anfang Januar 1938 lagen der technischen Kommission siebzehn verschiedene  Muster vor. Das Modell der Firma Lorenz wurde gewählt, da es die besten  elektrischen Daten aller siebzehn eingereichten Geräte aufwies. Als Empfangsschaltung kam wegen ihres geringen Aufwandes nur die eines Einkreisers (Audion) in Betracht.

Der Spulensatz des DKE ist identisch mit der im Vorjahr neuentwickelten Baugruppe für den VE 301 Wn. Sie besteht aus einem feststehenden kleinen Papprohr, auf dem die Gitter - und die Rückkopplungsspulen befestigt  sind, und einer schwenkbaren Antennenkopplungsspule mit drei Anzapfungen.  Mit der bis zu 90 Grad drehbaren Ankopplungsspule lässt sich mit der Trennschärfe auch die Lautstärke in einem weiten Bereich kontinuierlich ändern. Um die Rückwirkung gering zu halten, wurde der in der Antennenspule befindliche kleine HF - Eisenkern exentrisch befestigt. Das Allstromnetzteil des DKE erlaubt den universellen Betrieb des Empfängers mit Netzwechsel - oder Gleichstrom, und dies wahlweise für drei verschiedene Netzspannungen. Bei einem Allstromnetzteil entfällt der Netztransformator - ein Bauteil, der einen hohen Bedarf strategischen Marerials, wie Sondereisen und Kupfer, beansprucht hätte und zudem teuer war. Bemerkenswert ist im Netzteil der Einsatz einer kleinen Siebdrossel anstelle eines Siebwiderstandes. Auf sie konnte bei allem Zwang zur Ökunomie der Schaltung nicht verzichtet werden. Die Begründung: Ein in seiner Siebwirkung vergleichbarer Widerstand wäre hochohmiger und erzeugt einen dementsprechenden Spannungsabfall, der wiederum beim Betrieb des DKE aus einem 110 Volt Netz eine zu geringe Betriebsspannung zur Folge hätte. Empfängerröhren sind teure Bauelemente. Je weniger Röhren in körperlicher Form (Röhrenkolben) in einem Empfänger verwendet werden, um so günstiger die Preisbildung für den Empfänger. Daher musste speziell für den DKE eine Sonderröhre entwickelt werden, die bei einem möglichst kostengünstigen, einfachen Systemaufbau eine hohe Leistungsfähigkeit besitzt. Die Verbundröhre VCL11 - sie beinhaltet in einem Vakuumgefäss zwie Röhrensysteme mit einer gemeinsamen Kathode - und die indirekt geheizte Gleichrichterröhre VY2 bildeten die gemeinsame röhrentechnische Voraussetzung für den Allstrombetrieb sowie zur vereinfachung des Schaltunsaufwandes des DKE. In Allstromgeräten sind die Heizfäden der Röhren in Serie geschaltet. Die VCL11 benötigt eine Heizspannung von 90 V, die VY2 30 V bei einem relativ geringem Heizstrom von 50  mA. Die Gesamtheizspannung von insgesamt 120 Volt erlaubt es, den Röhrensatz ohne den eingebauten Vorwiderstand direkt aus dem 110 Volt Netz zu betreiben.

Für Netzspannungsbetrieb mit 150 V oder 220 V muss der Vorwiderstand entsprechend geschaltet werden. Der niedrige Preis des Empfängers führte zwangsläufig zur Verwendung einer neuartigen Kompensationsschaltung zur Brummunterdrückung. Der veränderliche Kathodenwiderstand ist Bestandteil einer Brückenschaltung, in der die Gitter - Kathoden - Strecke der Tetrode als Indikator aufzufassen ist. Beide Röhrensysteme sind in der DKE Schaltung durch eine Widerstandskopplung verbunden. Das Triodensystem ist neben der Funktion als Gittergleichrichter in der Lage, die Tetrodenendstufe ohne Zwischenschaltung eines Übertragertransformators (wie bei der ECL11 empfohlen) auszusteuern. Die Endstufe wurde für eine Sprechleistung von ca. 0,8 Watt dimensioniert. Der Lautsprecher, ein Freischwingersystem, besitzt den bescheidenen Übertragunsbereich von etwa 150 Hz bis 2,5 kHz. Zur Verbesserung des Klangeindrucks und zur herabsetzung des Klirrfaktors dient die niederfrequente Rückkopplung mittels des 2MOhm Widerstands zwischen den Anoden der Verbundröhre. Sie erweitert den Tonumfang um 2,5 Oktaven. Der 10pF Kondensator unterdrückt die Pfeifneigung des Doppelröhrensystems. Am konstruktiven Aufbau des Lautsprechers sin ebenfalls ungewöhnliche Sparmassnahmen auszumachen. Der Membrankorb besteht nicht, wie bisher üblich, aus Stahlblech, sondern aus einem verfestigten Faserstoff. Die neuen Lautsprechermagnete benötigen etwa 100 Gramm weniger hochwertiger Magnetstähle als der Lautsprechermagnet eines klassischen "VE". Für den DKE Lautsprecher kamen zwei verschiedene Magnetarten zur Verwendung. Die eine wurde aus einer Aluminium Nickel Stahl Legierung und die andere aus einem gepressten Gemenge von Aluminium, Nickel - Stahl - Partikeln und Kunstharz hergestellt. Metall für das Gerätechassis wurde durch den "künstlichen" Werkstoff Hartpapier ersetzt. Insgesamt benötigt der DKE, verglichen mit einem VE301Wn, nur noch einen Kupfer und Eisenbedarf von 25%




Foto: Peter Breu





Entgegen der oft anzutreffenden Behauptung, das schaltungstechnische Konzept der Volksempfänger sei von vornherein so  ausgelegt, dass ein Empfang ausländischer Sender erschwert oder gar unmöglich war, ist dies nicht zutreffend. Der "Volksgenosse" war mit seinem Volksgerät durchaus in der Lage, nicht nur die einheimischen, sondern auch ausländische Sendestationen zu empfangen. Hinsichtlich ihrer Empfindlichkeit und der Trennschärfe waren die "Volksgeräte" technisch nicht besser oder schlechter als herkömmliche vergleichbare Erzeugnisse auf der Basis des Einkreisers. In einem Untersuchungsbericht  der Forschungsanstalt der Reichspost wurde festgestellt: Die Empfindlichkeit  der Volksgeräte würde also ausreichen, um bei diesen Grenzfeldstärken  mit genügender Lautstärke zu empfangen. In der Grösse von 2 bis 4 mV/m liegen aber auch die Fernempfangsfeldstärken deutscher und anderer   europäischer Sender. Dementsprechend ist der Empfindlichkeit nach  auch Fernempfang mit den Geräten möglich. Ab September 1939, mit  Beginn des Zweiten Weltkrieges, hiess es dann auf einem an jedem Rundfunkgerät   anzubringenden Kärtchen (Anhänger): "Denke daran. Das Abhören ausländischer Sender ist ein Verbrechen gegen die nationale Sicherheit   unseres Volkes. Es wird auf Befehl des Führers mit schweren Zuchthausstrafen   geahndet." Zu dem "Denke - daran - Kärtchen" gab es ein nur für   den Dienstgebrauch des politischen Leiters vorgesehenes Merkblatt mit bildlichen   Hinweisen für die Befestigung des Anhängers am Beispiel des DKE38.





Der Inhalt des Merkblatts enthält Verhaltensregeln: "Bei der Anbringung   der Anhänger an den Rundfunkempfänger ist folgendes zu beachten: 1. Die Aktion ist weder eine politische Massnahme, noch eine persönliche  Anprangerung des einzelnen Volksgenossen. Der politische Leiter muss sich   bewusst sein, dass er als Vertreter der NSDAP zu den Volksgenossen kommt,   und höflich und korrekt, taktvoll aber bestimmt auftreten. Er muss  dem  Rundfunkteilnehmer klarmachen, dass es sich nicht um eine persönliche Verdächtigung handelt, sondern dass von dieser Massnahme sämtliche Rundfunkteilnehmer unterschiedslos betroffen werden. Er muss das Verständnis dafür erwecken, dass, wer ausländische Sender abhört, seelische Selbstverstümmelung betreibt, dem Feind, der das deutsche Volk vernichten   will, in die Hände arbeitet und Landesverrat begeht, wofür er rücksichtslos  härteste Bestrafung zu erwarten hat. Er muss auch den politisch zuverlässigen  Volksgenossen davon überzeugen, dass diese Massnahme in seinem eigenen  Interesse liegt, denn durch den Anhänger  wird jeder, der sich an seinem Rundfunkgerät zu schaffen macht, davor gewarnt, ausländische Sender  einzustellen oder abzuhören. 2. Jedes Rundfunkgrät im Bereich der  Ortsgruppe ist mit einem Anhänger zu versehen. ausgenommen sind Dienststellen  der Wehrmacht. 3. Auch Geräte, die zurzeit bei der Post abgemeldet sind,  müssen den Anhänger tragen. 4. Bei Geräten, die keinen eingebauten Lautsprecher haben, ist der Anhänger an dem eigentlichen Empfänger,  nicht an dem Lautsprecher anzubringen. 5. Die Anbringung soll, soweit irgend  möglich, an den Einstellknöpfen erfolgen, oder zwischen Lautsprecherverkleidung  und  Gehäuse, keinesfalls an der Rückwand des Gerätes. 6. Der  politische Leiter hat den Anhänger entweder persönlich anzubringen  oder sich persönlich von der ordnungsgemässen Anbringung zu überzeugen.  7. Ist die Wohnumg beim ersten Besuch des politischen Leiters verschlossen,  so muss bei den Flurnachbarn ermittelet werden, wann der Wohnungsnachbar am besten anzutreffen ist. Im Falle längerer Reisen ist die mutmassliche Rückkehr festzustellen und alsdann wieder vorzusprechen. Auf keinen Fall darf durch kürzere oder längere Abwesenheit des Rundfunkteilnehmers  sein Gerät unberücksichtigt bleiben."

Gerd Krause

* Quelle und Rechteinhaber unbekannt. Bitte setzen Sie sich im Fall
von begründeten Rechtsansprüchen mit dem Autor in Verbindung.



Alle Volksempfänger werden ausführlich mit vielen Fotos u. Schaltplänen
auf der angebotenen DVD-ROM beschrieben.

Aktuelle Version: 1.9.1   01/2023

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Freischwinger Lautsprecher Verbundröhre VCL11 Gleichrichterröhre VY2 Vorwiderstand Antennenbuchsen Kondensator